Eine Frau liegt ich ihrem Bett und schläft. Oder schläft sie nicht?
Vielleicht ist sie auch tot, sie weiß es selber nicht. Sie ist alt,
also kann sie auch tot sein. Die Heuschrecken stören sie, obwohl das
Zirpen sie auch beruhigt. Sie fröstelt. Sie würde gerne das Fenster schließen,
dann hätte sie auch Ruhe vor den Heuschrecken, aber sie will liegen bleiben. Ihr
läuft ein kalter Schauer über den Rücken. Ein Schrei! Sie schreckt hoch und sitzt
kerzengerade und lauschend im Bett. – Es war nur ein Käutzchen. Beruhigt will
sie sich wieder hinlegen, da fällt ihr die Bettdecke von den Füßen. Während sie
die Decke aufhebt, sieht sie den Mond, der sie durch die Dachluke anscheint. Sie
zittert. Jetzt schlurft sie in Wollpantoffeln in die Kücke, um sich einen Kaffee
zu machen. Sie steht mit ihrem Rücken an den Küchentisch gelehnt und schlürft langsam
den Kaffee, so daß ein seufzendes Geräusch zu hören ist. Sie fühlt sich einsam und hat
nur noch den Wunsch, bei ihrem Sohn zu sein. Als sie in ihr Zimmer zurückgeht, um sich
ihren Faltenrock anzuziehen, denkt sie an ihren verstorbenen Mann und wird noch trauriger.
Sie tritt aus dem Haus und friert noch immer, obwohl es eine warme Sommernacht ist.
Ein Hund bellt. – Sie steht immer noch fröstelnd vor ihrem Haus. Sie muss sich setzen.
Sie lässt sich auf einer Bank nieder. Ihr Gesicht wird vom Mond beleuchtet. Sie schließt
die Augen und faltet die Hände. Ihr Körper wird langsam steif und kalt. Gemächlich wandert
der Mond vorüber.
13.12.1997 by Marius Jacob